Der Sonntag begann diesmal auf dem Tagesmarkt in der Stadtmitte von Bangsaphan.
Bereits früh am Morgen ist schon reger Betrieb in der alten Markthalle, frischer Fisch, geschlachtete Hühner und Berge von Fleisch geschlachteter Schweine und Kühe werden auf den von Blut durchtränken und von Fleischfetzen klebenden Holztischen sowie alter Wellpappe und auf dem Boden in kleine Portionen zerhackt und zum Kauf angeboten.
Darunter hatten sich Berge aus Unrat der vorangegangen Markttage angesammelt, gemischt mit Ratten und Katzen Exkrementen.
Der stechende Geruch und die stündlich ansteigende Hitze
lassen einem fast den Atem stocken und auf dem klebrigen Schweiß der Haut nerven Fliegenschwärme. Die nach allen Seiten offene Halle ist nur spärlich beleuchtet und nur wenig Sonnenlicht dringt durch das verrostete und durchlöcherte Wellblechdach.
Die Hunde schauen uns aus verschlafenen Augen an und man konnte deutlich erkennen, dass sie bereits ihr Frühstück hinter sich hatten.
Es sah so aus als ob die Katzen nicht sonderlich an den allgegenwärtigen Ratten zu unseren Füssen interessiert wären.
Es machte eher den Eindruck, als ob sie ganz nach der buddhistischen Lebensart, eine friedliche Koexistenz bildeten. Nicht immer war sofort erkennbar ob gerade eine Katze über die Auslagen der Marktfrauen sprang oder einer der großen Nager, als die Helfer und Marktleute versuchten die Katzen einzufangen um sie in die bereitgestellten Transportboxen zu verfrachteten.
Eine Hündin am anderen Ende der Halle war mir neu und ich befrage den Marktverkäufer, der ihr gerade Fischreste zuwarf, ob sie bereits kastriert sei. Er verneinte und sage, dass er immer die normalen Antibabypillen füttere die es in jedem Geschäft zwischen Süßigkeiten und Schulsachen zu kaufen gibt, er den Hund aber leider nicht anfassen kann. Ich bat ihn doch bitte das Füttern einzustellen und bereitete einen Narkosepfeil vor. Mit dem Blasrohr über die Markttische hinweg traf der Pfeil sein Ziel, und die Hündin schlief schon nach wenigen Minuten tief und fest.
In der Zwischenzeit kam Dr. Noi und hatte hinter der Mutter von Lin seinen OP-Tisch aufgebaut.
Unbeirrt, wie sie es jeden Tag tat, hacke die Mutter im Schneidersitz auf ihrem Holzbrett kleine Fleischstücke die dann in Plastiktüten abgepackt verkauft werden.
Ein Mann kam vorbei und erzählte von einem Hund der an der Seite eine Beule so groß wie ein Baby hat. Wir sollten das am Mittag, auf dem Weg zum Tempel, anschauen.
Unter den neugierigen Augen vieler Marktbesucher waren gegen Mittag 8 Katzen und 1 Hund kastriert und es war an der Zeit unsere Ausrüstung auf dem PickUp zu verstauen, um im weiter außerhalb gelegenen Tempel unsere mobile Klinik für den Nachmittag aufzubauen.
Der Mönch erwartete uns schon sehnsüchtig und es konnte auch sofort losgehen, denn er war mit den Tieren bestens vertraut und brachte eine Katze nach der anderen.
Inzwischen hatte sich die Nachricht über unsere Ankunft schnell in der Umgebung herumgesprochen und eine Frau frage uns ob wir ihr helfen können. Sie wäre mit ihrer Familie und 6 Hunden umgezogen, nur 2 unkastrierte Hündinnen mussten alleine zurückbleiben, da sie die beiden sehr scheuen Tiere nicht anfassen kann.
Wir sagten zu und ich bereitete zwei Narkosepfeile für das Gewehr mit einer besonders starken Mischung vor. Die ganze Familie mit ihren 3 Kindern auf der Ladefläche ihres PickUp kam um uns den Weg zu zeigen. Nach eine halben Stunde über eine staubige Piste durch dichten Dschungel erreichten wir einen Steinbruch und fuhren zu den alten hölzernen Arbeiterbaracken, das bisherige Zuhause der Familie. Ein düsterer Ort voller Unrat und Schmutz der irgendwie Unbehagen in mir auslöste. Noch überprüfte ich erneut die Ausrüstung und Lin erklärte den Kindern auf was sie zu achten hätten damit der Narkosepfeil und besonders der Hund schnell gefunden werden kann, als bereits die Frau an einer löchrigen Holzwand winkend und mit eine Fressschüssel auf sich aufmerksam machte. Das Gewehr durch die Holzwand gesteckt und in Richtung des undurchdringlichen Dschungels gerichtet wartete ich gespannt was passieren würde. Die Frau warf etwas gekochten Reis auf den Boden und plötzlich kam tatsächlich ganz vorsichtig eine weiße Hündin aus dem grünen Dickicht. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt, denn ein Fehlschuss und die Hündin wäre gewarnt und für die nächste Zeit unerreichbar verschwunden. Ich hielt die Luft an, ein Moskito begann Blut aus meinem Oberarm zu saugen, dann war es so weit ein kurzes zischen und der Schuss saß perfekt. Die ganze Familie hinterher und schon nach 3 Minuten legten sie mir die tiefschlafende Hündin und den Narkosepfeil auf die Ladefläche von meinem PickUp. Derweil hatte ich eine neue Ladung vorbreitet und wir mussten an den Baracken vorbei zu den vorderen Behausungen, es dauerte nur einen kurzen Moment, als eine dunkelbraune Hündin vorsichtig aber hungrig um die Ecke zum vorbereiteten Futternapf der Frau kam. Die Prozedur wiederholte sich und nur wenige Minuten später lag auch sie tiefschlafend auf der Ladefläche. Wir fuhren zurück in den Tempel zu unserem OP-Platz um auch diese Beiden zu kastrieren und zu impfen. Danach brachte die Familie die immer noch schlafenden Hunde in ihr neues zuhause.
Es war schon spät am Nachmittag als mich kurz nach 16 Uhr das schrillen meines Telefons aus meinen Gedanken riss. Am anderen Ende die völlig aufgelöste Stimme der Chefin von der PTT Tankstelle in Bangsaphan. Sie rief immer wieder Dog und Poison und erklärte dann, dass der dort lebende und von allen geliebte ältere Rüde vermutlich Gift gefressen haben muss und mit Schaum vor dem Maul und nicht mehr laufen kann. Plötzlich hellwach schnappte ich mir die ganze Schachtel Atropinflaschen, einige Spritzen und Kanülen und raste mit dem PickUp und der Helferin Lin durch den Dschungel in Richtung Stadt. Noch nie waren mir auf dieser etwa 10km langen Strecke die vielen Schlaglöcher so aufgefallen wie diesmal. Als wir eintrafen. Begann der mir gut bekannte Rüde auf dem Boden liegend zu krampfen. Ein deutliches Zeichen, dass er jetzt kurz vor dem sicheren Ende stand. Zu viele solcher Fälle hatte ich schon gesehen. Mir ging nur durch den Kopf, jetzt die Nerven behalten, eine Mitarbeiterin hielt den armen Kerl am Kopf und begann zu weinen eine andere streichelte ihn besorgt. Gleich hatte ich die erste Spritze mit Atropin aufgezogen, mit der linken Hand die Vene des Vorderbeins gestaut und glücklicherweise sofort getroffen. Das rettende Mittel floss langsam ins Blut und man konnte sehen wie die Krämpfe nachliesen.er atmete ruhig und ich wiederholte das ganze mit einer weiteren Spritze langsam am anderen Bein. Inzwischen hatte Lin Papierservierten aus einer Garküche besorgt, die wir auf die Einstichstellen drückten, denn in der Eile hatte ich weder großvolumige Spritzen noch Tupfer oder Desinfektionsmittel mitgenommen. Es dauerte etwa 5 Minuten und er sprang zu Verwunderung aller wieder herum wie neugeboren. Wir waren alle sehr erleichtert und die Angestellten der Tankstelle bedankten sich vielmals.
Wieder zurück in der Tempelanlage erwartete uns der Mönch mit frischen Koksnüssen und wir erledigten unsere restliche Arbeit wie gewohnt und routinemäßig am OP-Tisch mit den letzten Kastrationen des Tages und impfen die Patienten. Das Resümee des Tages waren 23 kastrierte Katzen und 5 Hunde. Und damit stieg die die Gesamtzahl in diesem Monat auf 89 kastrierte Tiere.
Es begann schon die Dämmerung als mir auf der Heimfahrt der getrocknete Blutstropfen auf meinem Oberarm auffiel und ich erinnerte mich mit etwas Sorge an das von Moskitos übertragene Dengue Fieber.
Während unser Team zum Abendessen und zur Einsatzbesprechung noch zu einem Fischrestaurant am Strand gefahren ist, bin ich nach Hause um die Hunde zu füttern und um die restlichen Impfstoffe in den Kühlschrank zu legen. Danach war es auch für mich Zeit zu schlafen um neue Energie für den kommenden Tag zu tanken.
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Update:
heute schlief der vergiftete Rüde wieder an seinem alten Platz an den Zapfsäulen und er fühlt sich Pudelwohl.